Juni Anlass 2025
Einblicke in den Justizvollzug
Andreas Naegeli, Direktor und Leiter Justizvollzugsanstalt Pöschwies
Andreas Naegeli war Bauer, bevor er hinter Gitter kam – allerdings freiwillig. Im Jahr 2012 suchte die Justizvollzugsanstalt Pöschwies einen neuen Leiter. Unser Juni-Gast blickte in diesem Zeitpunkt bereits auf 14 Jahre Führungserfahrung in 2 Gefängnissen (11 Jahre Direktor im Wauwilermoos und 3 Jahre Vizedirektor im Bostadel) zurück und konnte das «aufwändige Auswahlverfahren» für sich entscheiden. Er wurde nicht zuletzt «aufgrund seiner Persönlichkeit» ausgewählt, vielleicht auch deshalb, weil er selbst dem Faktor «Persönlichkeit» hohe Bedeutung beimisst.
Auch bekannt ist diese Institution unter der früheren Bezeichnung «Strafanstalt Regensdorf», welche im Jahr 1901 ihrerseits das Zuchthaus des ehemaligen Klosters Oetenbach ablöste. Also ein «Unternehmen» mit einer langen – und wohl auch bewegten – Geschichte. Und auf wen übt dieses Gefängnis nicht eine gewisse Faszination aus – ein leichtes Rückenschaudern und Gänsehaut, wenn man an den hohen Mauern vorbeifährt? Zeit also für die Zunft zum Stauffacher, einmal hinter diese dicken Mauern zu schauen!
Als Gefängnisdirektor fühlt sich unser Gast auch verantwortlich für die «Unternehmenskultur», also für die Haltung und den Umgang, die dort gepflegt werden. Seine persönliche Vorstellung ist geprägt von Wert auf Anstand, Respekt, Höflichkeit - auch und gerade gegenüber den Gefangenen. Er zeigt dies an einem Beispiel auf: «Ob sie nun vor uns stehen oder nicht: Wenn wir an den Teamsitzungen über einen Insassen sprechen, nennen wir ihn <Herrn> Meier und nicht nur <den> Meier.»
Das ist in Abwesenheit des Herrn Meier vermutlich einfacher, als wenn besagter «Herr» Meier tobend vor einem steht. «Höflicher Umgang wird anspruchsvoller, wenn einen die Insassen anschreien, beschimpfen oder anspucken», gesteht auch der Direktor ein. Doch er bleibt bei der festen Überzeugung, dass sich jeder Mensch ändern kann, wenn er das wirklich will. Wenn die innere Bereitschaft fehlt, kann das auch ein Justizvollzug kaum erzwingen, aber in der Regel setzt dieser bei den meisten Insassen einen Prozess in Gang. Dazu gibt es für jeden «Herrn Meier» einen individuellen Vollzugsplan: Manchmal braucht es eine Therapie, besteht ein Suchtproblem, sind Schulden im Spiel, kann eine Ausbildung helfen und so weiter…
Und für Veränderungsprozesse ist auch ein gutes Gefängnisklima wichtig, welches die individuellen Schritte fördert. Denn der Mensch ändert sich am ehesten durch positive Vorbilder und Belohnungen im weiteren Sinn, zum Beispiel indem er ein gutes Feedback erhält, wenn er seine Aufgaben pflichtgemäss erfüllt. Und wenn er darin bestärkt wird, sein Bestes zu geben.
Und damit stecken wir bereits mitten im Thema, zu welchem die Zünfter am Stauffacher hoffentlich nur von aussen Erfahrungen sammeln: «Einblicke in den Justizvollzug».
Abseits der dicken Mauern, also zu Hause, besorgt Andreas gerne seine Pferde, geht Reiten und mit dem Hund spazieren. Er arbeitet im Garten oder renoviert etwas am Haus und geniesst die Zeit mit der Familie und Freunden. Also ein ganz «normales» Leben - zumindest für diejenigen, die abends das Pöschwies wieder verlassen dürfen.
Ein «Zuchthäusler», der wohl guten Gewissens wegen guter Führung aus Regensdorf entlassen wird, kommt zu den Zünftern zu Stauffacher. Seien wir gespannt darauf, was er über (s)ein Leben hinter Gittern zu erzählen weiss und freuen uns, wenn auch die eine oder andere bewegende oder erheiternde Begebenheit zu hören sein wird!